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Die mittelalterlichen Handschriften des Klosters St. Urban

Im Herbst 2013 ist der Katalog der mittelalterlichen Handschriften des Klosters St. Urban, bearbeitet von Charlotte Bretscher-Gisiger, Peter Kamber, Mikkel Mangold beim Urs Graf Verlag, Dietikon-Zürich, erschienen (ISBN 978-3-85951-278-8). Das zisterziensische Kloster St. Urban in der Gemeinde Pfaffnau, Kanton Luzern, 1194 von den Freiherren von Langenstein und Karpfenberg gegründet, war eine Tochter des Klosters Lützel im südlichen Elsass. Die St. Urbaner Handschriftensammlung gelangte nach der Auflösung des Klosters 1848 an den Kanton Luzern. Der Katalog verzeichnet 69 Handschriften und 2 Fragmente, die heute in der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern liegen, sowie das Jahrzeitbuch und fünf Fragmente aus dem Staatsarchiv Luzern; die Einleitung bildet eine Darstellung der Geschichte der Bibliothek von St. Urban und ihrer Erforschung.

Von zentraler Bedeutung sind innerhalb der Handschriftensammlung die liturgischen Handschriften, insbesondere die Antiphonare (Sanctorale P 15-17 fol.; Temporale P 20 fol.) sowie das Graduale P 26 fol. aus dem 13. Jahrhundert.


Abb. 1: Initiale in einem wohl in St. Urban geschriebenen Band (P 16 fol., 60r)


Für diese Stücke lässt sich eine Herkunft aus dem Kloster selbst vermuten. Bemerkenswert aber ist, dass die genannten Antiphonare, zusammen mit weiteren, dem gleichen Zeitraum entstammenden, bis ins 18. Jahrhundert ergänzt und korrigiert wurden, oftmals parallel von den gleichen Händen, also noch im Gebrauch standen. Ebenfalls im 13. Jahrhundert, wohl um die Mitte, schrieb nach eigenem Zeugnis der Mönch Rudolfus in St. Urban am Bibelkorpus P 4-6 fol.: Ein Teil von P 4 fol. sowie P 6 fol. sind sein Werk.

Nach den erhaltenen Beständen kann nicht von einer kontinuierlichen Schreibtätigkeit des Klosters ausgegangen werden. Nach einer Phase intensiverer Buchproduktion im 13. Jahrhundert, die zum eigentlichen Aufbau, respektive inneren Ausbau des Klosters gehörte, wurden erst Ende des 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts erneut in St. Urban Handschriften geschrieben, also nach den kriegerischen Ereignissen wie dem Einfall der Gugler, dem Burgdorferkrieg und den Sempacherkriegen. Damals entstanden das Jahrzeitbuch KU 626 sowie das Zisterzienserbrevier P 5 4°, nach dem Schreibervermerk ein gemeinsames Werk von Abt Heinrich Hauptring und Prior Heinrich.

Gemessen am Gesamtumfang der Sammlung gelangten die meisten der Handschriften von auswärts in den St. Urbaner Bestand, wobei hier das Kloster auch als Käufer und Pfandempfänger auftritt: Prior Johannes erwarb 1386 vom Kloster Beinwil drei Bände mit den Moralia in Iob Gregors des Grossen (P 8 fol.:1-3) und 1420 verpfänden Abt und Konvent des Klosters Pairis im Elsass das vierbändige Speculum historiale des Vinzenz von Beauvais an St. Urban (P 13 fol.:1, 3, 4). Der Klosterbrand von 1513 zerstörte den zweiten Band dieses Werkes; diese Katastrophe könnte auch erklären, weshalb Papierhandschriften und Handschriften mit deutschen Texten in der St. Urbaner Sammlung nahezu vollständig fehlen.

Einige Bände sind nachweislich aus dem persönlichen Besitz von Konventualen oder als Geschenke an das Kloster gelangt. Einige Beispiele seien hier genannt: Die Paterius-Handschrift P 36 4° von der Mitte des 12. Jahrhunderts, die älteste Handschrift des Bestandes, gehörte Abt Ludwig von Mettenwil (1585-1588). Der Mönch Johannes von Masmünster (belegt 1339 und 1343) war Besitzer des Bandes P 27 4° mit dem Compendium theologicae veritatis des Hugo Ripelin von Strassburg. 1650 gelangte St. Urban in den Besitz des reich illuminierten Stundenbuchs P 6 4°, das, in Paris hergestellt, für den Gebrauch im bairischen Bistum Bamberg bestimmt war – eine grosszügige Gabe des Solothurner Stadtschreibers und Ratsherrn Franz Haffner. Das Zisterzienserinnenkloster Gnadental schenkte im 19. Jahrhundert das Graduale OCist P 19 fol., dessen aufwendiger Buchschmuck um 1410 in böhmischen Werkstätten entstanden war, sowie das Antiphonar P 24 fol., das seinerseits vermutlich ein Geschenk des Wettinger Abts Rudolf Wülflinger an die Gnadentalerinnen war.

Für viele der Handschriften lässt sich die Herkunft nicht bestimmen, häufig fehlen auch Nachrichten über allfällige Vorbesitzer, doch können einige dank ihres Buchschmucks oder auf Grund inhaltlicher Kriterien bestimmten geographischen Räumen zugewiesen werden. So zeigen beispielsweise die Initialen der drei Bände mit Heiligenviten P 14 fol.:1-3 aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine grosse Ähnlichkeit mit denjenigen, die sich in Handschriften aus dem Zürcher Predigerkloster finden.


Abb. 2: Initiale, die sich in der Gestaltung an Vorbilder aus Zürcher Predigerkloster orientiert (P 14 fol.:1, 204r)


Die Fleuronnéinitialen des Antiphonars P 18 fol., das dem Kloster Frienisberg gehörte und wohl nach der Reformation nach St. Urban verbracht wurde, sind dem oberrheinischen Initialstil zuzuordnen. Das Stundenbuch P 22 4° vom ersten Viertel des 16. Jahrhunderts stammt wegen der in der Litanei aufgeführten Heiligen wohl aus dem Bistum Konstanz. Das Brevier P 32 4° hingegen ist im Bistum Tours entstanden: Dies belegen unter anderem sowohl das Directorium als auch die Responsorien des Totenofficiums.

Die meisten der Handschriften liegen heute in Einbänden des 18. Jahrhunderts vor. Mit dem Bau der Barockbibliothek unter Abt Malachias Glutz (1706-1726) verband sich auch das Bedürfnis, die Bände einheitlich, repräsentativ und im Stil der Zeit zu binden. Meist wurden dabei die Bücher mit lederbezogenen Pappdeckeln versehen, auf den Vorderdeckel wurde ein Supralibros des Klosters St. Urban angebracht, die Lederrücken mit goldenen Ornamenten verziert und mit farbigen Rückenschildern versehen. Ältere Einbände des Bestandes gehören zumeist dem 16. Jahrhundert an, darunter auch durchwegs diejenigen der liturgischen Handschriften.


Text: Charlotte Bretscher