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Der Katalog der Codices 670-749 der Stiftsbibliothek St. Gallen

Text von Philipp Lenz


Im Herbst 2014 ist der von Philipp Lenz und Stefania Ortelli bearbeitete Katalog „Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Band 3: Abt. V: Codices 670-749. Iuridica. Kanonisches, römisches und germanisches Recht“ im Verlag Harrassowitz in Wiesbaden erschienen. Der beschriebene Handschriftenbestand lässt sich im Wesentlichen in drei Gruppen gliedern. Die erste, bislang am besten erforschte Gruppe umfasst die Leges-Handschriften, die Herrscherkapitularien, die Dekretalen- und Kanonessammlungen sowie die Pönitentialien des 7. bis 11. Jahrhunderts. Von diesen Handschriften wurden einzig die drei kirchenrechtlichen Codd. Sangg. 670, 671 und 672 in St. Gallen, und zwar im 9. Jahrhundert, geschrieben, während die übrigen von auswärts stammen.


Abb. 1: Cod. Sang. 731, S. 234. – Lex Romana Visigothorum, Lex Salica, Lex Alamannorum, Burgund (?), Ende 8. Jh. bzw. 793


Der zweiten Gruppe gehören die ausschliesslich auswärtig hergestellten Handschriften des 12. bis 14. Jahrhunderts an. Es handelt sich einerseits um Werke zum Buss- und Beichtwesen, um Kurzfassungen des Decretum Gratiani, Liber Extra und Liber Sextus, um Ordines iudiciarii, das Pastorale Novellum Rudolfs von Liebegg, Musterurkunden- und Formelsammlungen aus dem benachbarten oder weiteren deutschsprachigen Raum, andererseits um kirchenrechtliche und römischrechtliche Handschriften mit frühen Einzelglossen oder späteren Glossenapparaten aus den universitären Milieus Italiens und Frankreichs. Mit einer Frühfassung des Decretum Gratiani (Cod. Sang. 673) aus Nord- oder Mittelitalien, der Dekretabbreviation „Quoniam egestas“ aus dem Engelberger Skriptorium (Cod. Sang. 711) und einer Compilatio prima französischer Herkunft (Cod. Sang. 715) werden im Katalog drei sehr bedeutsame Frühwerke der Dekretistik und Dekretalistik des dritten bzw. vierten Viertels des 12. Jahrhunderts beschrieben. Ausser vier Handschriften aus dem Besitz des St. Galler Stadtschreibers Johannes Widembach († um 1456) liessen sich in diesem Segment keine gemeinsame Provenienzen erschliessen.


Abb. 2: Cod. Sang. 711, S. 18. – Dekretabbreviation "Quoniam egestas", Engelberg, 3. Viertel 12. Jh.


Die dritte und grösste Gruppe, rund die Hälfte der Codices der Abteilung V, umfasst die Handschriften des 15. Jahrhunderts und einige spätere. In den Codices, häufig Sammelhandschriften und -bände, finden sich vor allem Kommentare und Kurzfassungen zu den Büchern des Corpus iuris canonici, ebenso Busssummen und ihre Kommentare, sodann moraltheologische Traktate, Predigten, Hilfsmittel zur Bibel und zum Kirchenrecht, aber auch viele weitere juristische und andere Werke. Eine grössere Zahl von Handschriften dieses Segments gelangte als Teil der Büchernachlässe des St. Galler Konventualen Gallus Kegraeca/codices.html († 1480/1481), des Weltpriesters Matthias Bürer († 1485), des St. Galler Abts Kaspar von Breitenlandenberg († 1463) und des St. Galler Konventualen und Rechtsgelehrten Johannes Bischoff († 1495) in die Klosterbibliothek.

Die Einbände (im Sinn der Bindetechnik bzw. Deckelverbindung) weisen eine grosse Vielfalt auf. Neben drei karolingischen und vier romanischen Einbänden sowie vier Koperten sind unter den über 30 Einbänden mit gotischer Deckelverbindung auch sechs typische Klostereinbände von ca. 1460 auszumachen.